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Künstler: Made out of babies Album: Coward Erscheinungsjahr: 2006 Anspieltipp: Proud to drown Autor: Markus Angesichts des zwiespältige Reaktionen hervorrufenden Coverartworks könnte man glatt meinen, die Damen und Herren von Made out of babies seien unter die Schockrocker gegangen. Aber mit billiger Effekthascherei und simpler Provokation hat die auf „Coward“ enthaltene Tonkunst natürlich nichts am Hut. Die vierköpfige Formation aus New York City hat es nicht nötig, sich in furchteinflößende Fantasiewelten zu flüchten, lieber hält sie dem geneigten Zuhörer die ungeschönte Fratze der Realität vor Augen. Dabei wird das gesamte Spektrum der Gefühlspalette ausgelotet. Made out of babies können sehr laut und schroff sein, jedoch genauso leise und einfühlsam. Das nunmehr zweite vollständige Studioalbum des amerikanischen Noise Rock Quartetts kommt einer selten gehörten Achterbahnfahrt der Emotionen gleich und geht zentimetertief unter die Haut. Diese Platte wird bei Schöngeistern, Weltverbesserern oder Ästheten wohl kaum auf Gegenliebe stoßen, bei Freunden dissonanter Klänge dürfte sie allerdings auf Grund ihrer grundehrlichen Ausrichtung reihenweise offene Türen einrennen. Großen Anteil am Gelingen des hier offerierten Songmaterials hat mit Sicherheit Frontfrau Julie Christmas, welche nicht nur markerschütternde Schreie zum Besten geben kann, sondern auch über eine formidable Singstimme verfügt. In den zarten Momenten auf „Coward“ klingt die Sangesakrobatin wie eine jüngere Schwester der isländischen Koryphäe Björk („Out“), in den brachialen Passagen meint der Zuhörer, dem Gehörnten Höchstselbst lauschen zu dürfen („Mandatory Bed Rest“). Teilweise scheint sich die Stimme der Made out of Babies Sängerin zu überschlagen, klingt geradezu schief und neben den Tönen liegend, dann wieder gibt es wunderschöne Gesangslinien zu hören, die den Konsumenten für einige Sekunden geradezu einlullen. Ohne Frage, diese Frau beherrscht das Spiel mit den Gegensätzen. Bisweilen verkörpert die Stimme der illustren Shouterin den blanken Wahnsinn, mitunter umschmeichelt sie die Gehörgänge des Konsumenten. Gerade aus diesem Grunde wird ihre extraordinäre Performance polarisieren. Ihr könnt sicher sein, dass nicht jeder Musikfreund meiner Einschätzung zustimmen wird, dass es sich bei Julie Christmas um die ungekrönte Königin des US-Undergrounds handelt. Die Instrumentierung auf „Coward“ ist verhältnismäßig spartanisch gehalten und weitgehend den Sangeskünsten der Frontfrau untergeordnet. Dennoch ist auch die Leistung der restlichen drei Musiker als beachtlich zu qualifizieren. Insbesondere die treffsicher platzierten Gitarrenriffs, sowie das dröhnende Schlagzeugspiel in Songs wie dem gewaltigen Opener „Silverback“ oder dem Beinahe-Hit „Proud to drown“ lassen aufhorchen und tragen maßgeblich zu einem durchweg stimmigen Gesamtbild bei. Besonders interessant kommen auch die häufig auftauchenden schleppenden Passagen daher, in denen die Band teilweise gar an die Gottväter von Neurosis erinnert. Produziert hat die neueste Langrille aus dem Hause Made out of babies niemand Geringeres als Klangmagier Steve Albini, welcher den insgesamt neun Kompositionen in seinen Electrical Audio Studios in Chicago einen wahrhaft rauen und ungeschliffenen, aber gleichsam authentischen Sound verpasst hat. Diese Klangverpackung passt zu „Coward“ wie Arsch auf Eimer und rundet eine (fast) perfekte 37 Minuten andauernde Langrille ab, die bei Freunden intensiver und vor allem innovativer Musik ganz oben auf den Einkaufszettel geschrieben gehört. P.S.: Das eingangs erwähnte Coverartwork zeigt übrigens mitnichten ein Kind, das soeben „die Treppe heruntergefallen ist“. Es handelt sich vielmehr um ein Foto des Made out of Babies Drummers im Alter von 6 oder 7 Jahren, kurz nachdem dieser von einem Auto angefahren wurde.
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